• Eine Seite, Eine Geschichte

    Hexenzauber in der Moderne

    Tick. Tack. Tick. Tack. Die Sekunden verstreichen plötzlich unglaublich langsam. Ich spüre meine Beine nicht mehr. Tick. Tack. Ob ich noch Hände habe? Diese spüre ich nämlich auch nicht mehr. Alles fühlt sich sehr steif an. Mein Rücken. Mein Hals. Tick. Tack. Ich habe nie realisiert, wie laut Zeit vergeht. Unglaublich laut, das kannst du mir glauben. Sie dröhnt geradezu in den Ohren. Ach was, im ganzen Körper. Tick. Tack. Du fragst dich bestimmt, wie das passiert ist. Hab ich recht? Ich bin – oder sollte ich besser sagen, ich war – eine Hexe. Keine junge Hexe, wie du jetzt vielleicht denken magst. Tick. Tack. Nein ich bin eine erfahrene…

  • Schreibübung

    Dunkel

    Schneller als es Tom lieb gewesen war, kam die Dämmerung. Auf diesen Strassen bewegte man sich bei Tageslicht ohne Probleme. Aber wenn das Licht der Sonne schwächer wurde und die Strassen allmählich in die Schwärze der Nacht gehüllt wurden, nur erhellt durch das gelegentliche schwache Flackern einer Strassenlaterne, so sollte man sich besser irgendwo innerhalb eines Hauses befinden. Eigentlich glaubte Tom nicht an Geistergeschichten. Allerdings merkte er, wie ihm bei dem immer obskurer werdenden Licht langsam unbehaglich zumute wurde. Schon glaubte er, erste Geräusche zu hören, die auf absurde Weise nicht in diese Gegend zu passen schienen. Flüsternde Stimmen, die von nirgendwoher zu kommen schienen, zuckende Schatten an den Wänden…

  • Eine Seite, Eine Geschichte

    Violettes Blut

    Entgeistert starrte ich auf Loas Lieblingsbluse. Sie wies einen dunkelvioletten Fleck auf, genau dort, wo vor Sekunden noch das Messer gesteckt hatte. Loa war leichenblass und zitterte. Ihr Atem kam in kurzen, flachen Stössen und sie schien ganz weit weg zu sein. Violett. Der Fleck auf ihrer Bluse war violett. Was bedeutete das? Musste Blut nicht rot sein? War es das nicht normalerweise auch? Einen Moment lang, war ich versucht, mit dem Messer, dass ich aus Loas Brustkorb gezogen hatte, meine eigene Haut aufzuritzen. Nur um zu sehen, dass mein But war, wie es sein sollte. Rot. Dann fiel mein Blick auf meine Hände, die vor roter Flüssigkeit glänzten. Das…

  • Eine Seite, Eine Geschichte

    Sprachbarrieren

    Ich stehe vor der lackierten Holztür meines Klassenraums und versuche mit schierer Willenskraft zu verhindern, dass ich mich hier und jetzt auf den Boden übergebe. «Du schaffst das, Travis.», rede ich mir selbst gut zu und blicke dann über meine Schulter, um zu sehen, ob mich nicht jemand beobachtet. Man sollte erwarten, dass mir die Leute an einem Tag wie diesem die Klassenzimmertür einrennen, um einen Blick auf meine neuen Studenten zu erhalten. Aber natürlich ist das Wunschdenken. Vor etwa drei Jahren habe ich mir den Groll meiner Kollegen und der Rektorin zugezogen. Sie geben mir die Schuld an einem Unglück, dass ich unmöglich hätte verhindern können. Diese neue Klasse…

  • Eine Seite, Eine Geschichte

    Warum das Gras grün ist

    Ein Mythos Früher einmal war die ganze Welt blau. Nicht nur das Meer, Flüsse, Seen und der Himmel, sondern auch Wälder und Wiesen. Alles strotzte vor Leben und alles war so blau, wie man es sich nur vorstellen konnte. Einmal lebte auf dieser blauen Welt ein Kaninchen und dieses Kaninchen liebte nichts so sehr, wie das blaue Gras. Denn dieses verging dem Kaninchen geradezu im Mund und es schmeckte nach Wundern und Abenteuern. Das Problem war, dass das kleine Kaninchen einen weiten Weg zurückzulegen hatte, bevor es an der blauen Wiese ankam. Das war leider alles andere als leicht. Das kleine Kaninchen wohnte in einem Kaninchenbau und der Weg, den…